"Miss" Lofoten
„Is this Miss Lofoten ?“ fragt ein zartes Stimmchen als wir unten an der Gangway stehen. Das zu der Stimme gehörende Persönchen ist eine junge Dame aus dem asiatischen Raum und sucht nicht etwa nach der Gewinnerin der letzten Misswahl, nein, sie will sich nur vergewissern, dass das Schiff, das hier festgemacht hat auch wirklich die MS Lofoten ist. Die Dame ist hier richtig – und hat mit Ihrer Frage gleich mal nebenher geklärt, warum Schiffe immer weiblich sind. Miss Lofoten passt aber auch richtig gut. Die MS Lofoten – von der Reederei Hurtigruten gerne mal „alte Lady“ genannt, ist das älteste auf der klassischen Postschiffroute eingesetzte Schiff. Und das kleinste. Und das einzige mit nostalgischem Charme.
Eine Reise mit den Schiffen der Hurtigruten ist für viele die schönste Seereise der Welt. Das gibt es weltweit nirgendwo sonst – eine Schiffslinie, die auf festgelegter Route und nach festem Fahrplan 34 Häfen miteinander verbindet. Und zwar täglich, 365 Tage im Jahr. Jeden Abend verlässt ein Hurtigrutenschiff die Stadt Bergen in nördliche Richtung und fährt bis Kirkenes nahe der russischen Grenze, kehrt dort um und fährt wieder zurück nach Bergen. Für diese Strecke braucht es 11 Nächte. Die Schiffe transportieren Waren, Personen und die meisten auch Autos – und eben auch Post. Und ganz nebenbei Touristen aus aller Welt, die einmal die atemberaubende Landschaft Norwegens von der Seeseite aus erleben wollen.
Wir haben uns bewusst für einen Reisetermin im Winter entschieden, denn wir wollen uns zwei Wünsche erfüllen: Einmal das Polarlicht sehen und eine Fahrt mit dem Hundeschlitten. Wie die meisten Mitreisenden hat uns nicht der Zufall auf die MS Lofoten verschlagen. Auch wenn die anderen Schiffe der Hurtigruten komfortabler und moderner sind – uns hat gereizt, dass die Lofoten ein nostalgisches, unter Denkmalschutz stehendes Schiff ist. Dass man für dieses Erlebnis auf etwas Komfort verzichten muss hat uns nicht weiter gestört.
Ein Vorteil der kleinen MS Lofoten ist sicherlich die entspannte, familiäre Atmosphäre. Schnell kommt man mit seinen Mitreisenden ins Gespräch und nach spätestens zwei Tagen kennt man alle Gäste zumindest vom Sehen. Allerdings kommen täglich neue Gäste an Bord und andere verlassen das Schiff nach wenigen Nächten, denn viele reisen nur auf einer Teilstrecke. Zudem nutzen zahlreiche Einheimische das Schiff als alltägliches, öffentliches Verkehrsmittel um von einem Hafen zum nächsten zu gelangen.
Da die Schiffe der Hurtigruten meistens zwischen den der zerklüfteten, norwegischen Küste vorgelagerten Inseln bleiben und nur wenige offene Seetrecken zurückgelegt werden, brauchen Sie sich übrigens nicht vor extremen Seegang fürchten. Zusätzlich haben alle Hurtigrutenschiffe mit Ausnahme der alten Lady MS Lofoten Stabilisatoren. Dank des Golfstroms bleiben alle Häfen der Strecke auch im tiefsten Winter eisfrei. Der Golfstrom ist auch der Grund dafür, dass es selbst im äußersten Norden nicht so kalt wird, wie viele annehmen. Während unserer Reise im Februar lag die niedrigste Temperatur bei -8°.
In den meisten Häfen kann man sich den Ort bequem zu Fuß erobern. Das gemütliche Trondheim mit seinem Nidaros-Dom, der Krönungskirche der norwegischen Könige, lässt sich wunderbar auf eigene Faust erkunden. Auch im Jugendstil-Städtchen Ålesund liegt das Schiff quasi direkt in der Stadt. Hier sollte man den Aufstieg auf den Hausberg Aksla einplanen, denn von oben haben Sie einen atemberaubenden Blick auf Ålesund und die umliegenden Inseln und Fjorde.
Unvergessliche Wintererlebnisse
Einige Ausflüge sollte man aber schon an Bord (oder auch im Reisebüro) buchen. Das Nordkap zum Beispiel erreichen Sie in Eigenregie nur schwer. Mein persönliches Highlight war der Ausflug zum Hundeschlitten-Fahren in Tromsø. Nach etwa einer halben Stunde Busfahrt erreichen wir das Schlittenhunde-Camp Villmarkssenter auf der Insel Kvaløya. Als erstes erhalten wir warme Spezialkleidung, damit es später während der Fahrt nicht zu kalt wird. Im Anschluss nehmen wir den ersten Kontakt zu den Hunden auf, die im Schnee vor Ihren Hundehütten auf uns warten. Der Guide erklärt uns Interessantes über das Camp und die Huskies und führt uns anschließend zu den bereitstehenden Husky-Gespannen. Als sich unsere Gruppe auf die 8 wartenden Hunde-Teams zubewegt, gibt es kein Halten mehr. Die Hunde legen sich schon jetzt in Ihr Gespann und würden am liebsten sofort losstürmen. Wären die Schlitten nicht mit Ankern im Boden festgemacht, würden die Tiere glatt ohne uns losrennen. Wir werden zunächst zu zweit auf die Schlitten verteilt, die jeweils von einem erfahrenen „Musher“ – so heißt ein Hundeschlittenführer im Fachjargon – gefahren werden. Vor uns zerren 10 ungeduldige Huskies an ihren Leinen, drehen sich immer wieder zu uns um, als wollten Sie sagen „geht’s jetzt mal endlich los ?“. Und dann geht es los. Der Musher holt den Anker ein – und ab die Post ! Auf den ersten Metern geben die 10 Hunde ordentlich Gas, aber schon bald wird die Fahrt etwas gemütlicher. Und als das aufgeregte Hundegebell langsam weniger wird, hört man nur noch das leise Schleifen der Schlittenkufen und das sanfte Geräusch, das 40 Hundepfoten im Schnee verursachen. Wir gleiten durch eine tiefverschneite Winterlandschaft und leichter Fahrtwind weht uns um die Ohren. Langsam sinkt die Sonne und wirft erst orange und gelbe, später lila-blaue Lichtspiele auf die fast unberührte Schneedecke. Eine Gänsehaut stellt sich ein – wohlgemerkt weil alles so wunderschön ist, nicht etwa, weil man friert.
Nach etwa einer halben Stunde endet die Schlittenfahrt wieder im Camp und ich bin schockverliebt in 10 Huskies, die wir natürlich noch ausgiebig bestreicheln dürfen. Danach zeigt uns der Guide noch das Camp und wir besuchen den Zwinger mit den Jung-Hunden, die noch nicht einem Gespann zugewiesen wurden. Zum Abschluss gibt es noch Tee und Kuchen am Lagerfeuer bevor es zurück zur MS Lofoten geht.
Wir sind uns einig: allein für diesen unvergesslichen Ausflug hat sich die ganze Reise schon gelohnt.
Im hohen Norden haben wir einen weiteren Ausflug gebucht. Wir fahren mit dem Schneemobil von Mehamn nach Kjøllefjord. Der Ausflug heißt „Mit dem Schneemobil durch die Polarnacht“ und findet nachts zwischen 00:45 und 3:00 Uhr statt. Nachts sind die Chancen das Polarlicht zu sehen am größten und tatsächlich – während der Einweisung in unsere Motorschlitten tanzt ein kräftiges grünes Glühen über den Nachthimmel. Ein faszinierender Anblick. Ich weiß gar nicht wohin ich meine Aufmerksamkeit lenken soll – auf das spektakuläre Nordlicht oder die Erklärungen des Tourguides, der gerade versucht 7 Schneemobil-Neulingen das Führen des rasanten Gefährts nahe zu bringen. Leider ist das Timing schlecht. Der Guide ist kaum mit seinen Erklärungen durch, da schiebt sich die erste Wolke vor das Polarlicht und der Himmel zieht sich zu. Naja, dann konzentrieren wir uns halt erst einmal auf die Fahrt mit dem Schneemobil. In einer gespurten Loipe fahren wir in Kolonne durch die einsame, tiefverschneite Landschaft. Das kräftige Licht der Schneemobile weist uns den Weg und wir alle haben schnell den Bogen raus, wie man das Gefährt beherrscht. Unsere Schneemobile sind gedrosselt, damit wir nicht allzu rasant durch die Polarnacht fahren, trotzdem erreichen wir Geschwindigkeiten von gut 50 Stundenkilometern. Nach einer Weile machen wir einen Stopp in ebenem Gelände. Der Guide bittet uns, die Motoren auszuschalten. Schlagartig ist es um uns herum stockdunkel und totenstill. Nur langsam schälen sich Umrisse aus der Dunkelheit und bald erkennt man trotz des immer noch zugezogenen Himmels die Konturen der Landschaft. Dann eröffnet uns der norwegische Guide, dass wir gerade mitten auf einem zugefrorenen See stehen. Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass so ein Schneemobil sicher ganz schön schwer ist, da beruhigt uns der Guide auch schon. Die Eisdecke ist knapp 2 Meter dick, da kann nichts passieren.
In dieser Nacht haben wir das Polarlicht nicht mehr gesehen. Später jedoch hat sich die spektakuläre Lightshow noch einige Male gezeigt. Schade, dass die Fotos, die ich davon gemacht habe, das nicht wiedergeben können.
Die MS Lofoten wurde Ende 2020 leider ausser Dienst gestellt. Aber Hurtigruten bietet genügend Alernativen mit den moderneren Schiffe der Flotte.
Sollten Sie nähere Informationen zu einer Reise mit den Schiffen der Hurtigruten wünschen, besuchen Sie mich doch einmal im DERTOUR Reisebüro in Gladbeck.